Große Filialisten wollen Mieten für Betriebe nicht zahlen

Aufgrund der Corona-Krise zahlt der Filialist Geers „bis auf weiteres“ keine Mieten mehr für seine Fachbetriebe. Das meldete am gestrigen Mittwoch die Frankfurter Allgemeine Zeitung (https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/corona-hoergeraete-anbieter-geers-zahlt-keine-miete-mehr-16717142.html?GEPC=s1)

Veröffentlicht am 09 April 2020

Große Filialisten wollen Mieten für Betriebe nicht zahlen

Demnach sei bereits die Miete für den April nicht überwiesen worden. Über den Zahlungsstopp informiert worden seien die Vermieter mit einem Brief, in dem steht, der Grund für das Nichtzahlen sei der starke Nachfragerückgang.

Auf Nachfrage erklärt hierzu ein Sonova-Sprecher, dass man sowohl „signifikante Umsatzeinbrüche“ erlebe als auch die Gesundheit der Mitarbeitenden und Kunden sicherstellen wolle. Zudem gehe es darum, die durch die derzeitige Krise entstehenden finanziellen Schäden „zu mildern und die Arbeitsplätze zu sichern“. Hierfür setzt die Sonova auf verschiedene Maßnahmen wie strikte Kostenkontrolle, Anträge auf staatliche Zuschüsse und Kurzarbeitergeld oder die Anpassung von Verträgen. Die Mietverträge für die Fachbetriebe machten hierbei „einen wesentlichen Bestandteil“ der Kosten aus. Daher habe man die Vermieter schriftlich über die Aussetzung der Zahlung der Miete informiert, gleichzeitig wolle man aber den Dialog mit ihnen suchen und über Möglichkeiten sprechen. Einige Vermieter hätten, so der Sonova-Sprecher weiter, ob der Lage von sich aus bereits das Gespräch gesucht.

Da der Konzern bei Hunderten von Mietverträgen nicht selbst zu allen Vermietern Kontakt pflegen könne, arbeite man seit einiger Zeit mit Dienstleistern zusammen, erklärt der Sonova-Sprecher. Einer dieser Dienstleister ist das Hamburger Unternehmen BP Bergmann Partners. Auf seiner Website schreibt das Unternehmen:

„Mietsenkung oder gar Aussetzung der Mietzahlung für die Dauer der Schließung kann dabei helfen, eine der größten Kostenpositionen in diesen schweren Zeiten zu minimieren. Die Rechtslage ist hier jedoch nicht immer eindeutig. Wer weitsichtig eine Katastrophenklausel in seinen Vertrag aufgenommen hat, hat Möglichkeiten der Handhabe. Für alle anderen empfiehlt B&P, mit dem Vermieter einen Mietverzicht auszuhandeln. Dabei muss unbedingt das Risiko einer außerordentlichen Kündigung des Vertrages aufgrund eines Mietrückstandes berücksichtig werden.“

Komplett geschlossen wurden nach dem Kenntnisstand der Audio Infos jedoch längst nicht alle Geers-Standorte. Einige bieten weiterhin einen Notbetrieb an. Ob das Unternehmen für alle Filialen die Mietzahlungen aussetzt oder nur für diejenigen, die komplett geschlossen sind, ist der Redaktion nicht bekannt.

Ähnlich verhält sich Amplifon. Der Mailänder Konzern hat den Vermietern seiner Lokalitäten in Deutschland ebenfalls mit einem Brief (das Schreiben liegt der Audio Infos Redaktion vor) mitgeteilt, dass er „die Zahlung der Miete an Sie für den Monat April 2020 aussetzen“ werde. Zur Begründung schreibt Amplifon: „Unsere Kunden bleiben zu Hause, anstatt unsere Geschäfte zu besuchen (…) Hierdurch erleidet nicht nur die Amplifon-Gruppe mit dem Hauptsitz in Italien, sondern auch wir als Amplifon Deutschland massive Umsatz- und Ertragseinbußen.“
Diese Begründung wird vor Gericht vermutlich nicht anerkannt werden, weil die Umsatz- und Ertragseinbußen ganz konkret für jedes Geschäft von Amplifon beziffert werden und in Beziehung zur Höhe der Miete gesetzt werden müssen. Eine Einbuße von zum Beispiel 50 Prozent rechtfertigt sicher nicht eine Mietkürzung um 100 Prozent.

Ob dieses Vorgehen der Filialisten im Falle von Klagen der Vermieter insgesamt juristisch Bestand haben kann, ist fraglich. Es gilt grundsätzlich das Verursacher- und Verschuldensprinzip gemäß § 823 BGB. Die Vermieter sind nicht Verursacher der Krise, weder vorsätzlich noch fahrlässig, und sie sind insoweit auch nicht schadensersatzpflichtig. Allgemeine Ladenschließungen haben Vermieter ebenfalls nicht zu vertreten, wenn sie behördlich angeordnet worden sind, wovon allerdings die Hörakustiker als Gesundheitsberuf ausgenommen wurden. Wenn Läden trotzdem ganz oder teilweise von den Mietern geschlossen werden, ist das eine Entscheidung der Mieter. Die fairste und schnellste Lösung wären gütliche Einigungen, wie sie B&P vorschlägt. Das wäre im beiderseitigen Interesse: Der Hörakustiker möchte seinen Standort behalten und der Vermieter seinen Mieter.