LSG bestätigt Entscheidungsfreiheit bei der Hörsystemversorgung
Das Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg bestätigte: Wer Hörprobleme hat und sich vom Hörakustiker mit einem Hörsystem versorgen lässt, muss danach nicht nochmal zum Arzt, nur um die ordnungsgemäße Versorgung feststellen zu lassen.
Dies teilte die Bundesinnung der Hörakustiker (biha) mit und führte aus: Die Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg sei die einzig logische, wenn man sich vor Augen führt, was eine verpflichtende ärztliche Abnahme für katastrophale Folgen gehabt hätte. So hätte der Hörakustiker seine erbrachte Leistung erst dann abrechnen dürfen, nachdem der Versicherte beim Arzt die finale Abnahme eingeholt hätte. Doch über 90 Prozent der Versicherten sind mit ihrer Hörsystemversorgung schon heute zufrieden bis sehr zufrieden, wie die größte unabhängige bundesweite Versichertenbefragung des GKV-Spitzenverbandes ergab. Zufriedene Kunden sehen möglicherweise keine Notwendigkeit, sich Zeit für einen zusätzlichen Arztbesuch zu nehmen. Manche gehen zum Arzt, andere wiederum wollen nicht die Zeit und den Weg in Kauf nehmen. Man kann niemanden zwingen, zum Arzt zu gehen, daher waren die Vorstellungen des G-BA an dieser Stelle lebensfremd.
Zumal der Arzt gar nicht die Ausbildung besitzte, die Leistung des Hörakustikers zu beurteilen. Die Aufgabe des Arztes ist die Erstdiagnose der Schwerhörigkeit, die Aufgabe des Hörakustikers ist die Versorgung des Patienten mit diagnostizierter Schwerhörigkeit durch eine individuelle Anpassung von Hörsystemen an seinen Hörverlust.
Die richtige und nachvollziehbare Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg bewahrt die gesetzlichen Krankenversicherer nun vor zusätzlicher Kostenlast für überflüssige Arztbesuche, die Versicherten vor einem Zwang, zum Arzt gehen zu müssen, und die Hörakustiker davor, ihre erbrachte Leistung nicht oder verspätet abrechnen zu können, so die biha. Dem Versicherten und Versorgten bleibt es weiterhin freigestellt, ob er nach einer Hörsystemversorgung nochmal einen Termin beim Arzt wahrnehmen oder ob er darauf verzichten will. Dessen Entscheidungsfreiheit als mündiger Patient wurde vom LSG Berlin-Brandenburg mit diesem Urteil eindrucksvoll verteidigt. Die Revision zum Bundessozialgericht ist zugelassen.
Zum Hintergrund führte die biha aus, dass das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) zuvor einen Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) kassierte, eine verpflichtende ärztliche Abnahme der Hörsystemversorgung in der Hilfsmittel-Richtlinie zu verankern. Dagegen klagte der G-BA. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass das Gesundheitsministerium die Rechtsaufsicht des G-BA ist. Der G-BA ist das höchste Beschlussgremium der gemeinsamen Selbstverwaltung im deutschen Gesundheitswesen. Er bestimmt in Form von Richtlinien, welche medizinischen Leistungen die circa 73 Millionen Versicherten beanspruchen können. Darüber hinaus beschließt der G-BA Maßnahmen der Qualitätssicherung für Praxen und Krankenhäuser.