Drittes Experten-Forum in Bensheim

Wie gelingt die optimale Versorgung von CI-Patientinnen und Patienten - und woran fehlt es heute noch besonders?

Jana Herrmann, veröffentlicht am 9. Juli 2025

Drittes Experten-Forum in Bensheim

Mit diesen Fragen im Gepäck trafen sich am 2. Juli 2025 rund 100 Fachleute im Staatspark Fürstenlager in Bensheim-Auerbach zum dritten Experten-Forum der Ohrenklinik Bensheim. Die Veranstaltung, initiiert von Dr. med. Jérôme Servais und Jana Verheyen, rückte dieses Jahr gezielt die Versorgungslücken in der Hörrehabilitation in den Fokus – und damit Themen, die in Klinikalltag und Praxis oft übersehen werden.

„Seit unserem letzten Forum der Ohrenklinik Bensheim sind zwei Jahre vergangen, die in vielerlei Hinsicht eine Herausforderung für uns waren. Rückblickend sehen wir, dass wir auch viel Neues auf die Beine stellen konnten“ – mit diesen Worten begann die Einladung zum dritten Experten-Forum, auf die postwendend auch ein paar Details folgten. So zählen zu den erzielten Fortschritten ein HNO-Kassensitz, dank dem seit dem 1. Juli 2025 wieder Rezepte und Verordnungen ausgestellt werden können. Aber auch der Ausbau der Forschungsabteilung auf Universitätsniveau sowie die erfolgreiche Einführung der „HörReise Odenwald“ zur schnellen Rehabilitierung nach einer CI-Erstanpassung seien Erfolge von großer Bedeutung, wurde schon in der offiziellen Einladung erläutert.

Fokusthema Versorgungslücken

Um insbesondere Hörakustiker*innen für ihre Unterstützung in diesen „turbulenten und zugleich erfolgreichen Jahren“ zu danken, luden Dr. med. Jérôme Servais und Jana Verheyen, HNO-Chefarzt und Leiterin der Hörrehabilitation der Ohrenklinik in Bensheim, am 2. Juli 2025 zum bereits dritten Experten-Forum ein. Der Fokus der Veranstaltung lag dieses Jahr auf der Identifikation und Schließung von Versorgungslücken in der Hörrehabilitation – sowohl strukturell als auch emotional und mit dem Ziel, diese zu schließen, zu überbrücken oder aktiv mit ihnen umzugehen. Themen wie Eigenverantwortung von Patientinnen und Patienten und der oft unterschätzte emotionale Aspekt von Hörverlust und -gewinn standen insbesondere im Mittelpunkt.

Das Programm des dritten Experten-Forums startete direkt – also diesmal ohne vorgelagerten Rundgang durch die Klinikräume der Bensheimer Ohrenklinik wie in den Vorjahren – im pittoresken Staatspark Fürstenlager in Bensheim-Auerbach, der historischen Sommerresidenz des Hauses Hessen-Darmstadt, die Ende des 18. Jahrhunderts errichtet wurde. Schon bei ihrer Begrüßungsansprache und Temperaturen bis zu 37 Grad versprachen Servais und Verheyen den rund 100 Anwesenden „ein buntes Programm mit frischen Impulsen“.

Anspruchsvolles Vortragsprogramm

Für die Hälfte der Gäste, unter denen sich circa 60 Hörakustikerinnen und Hörakustiker befanden, begann die Veranstaltung dann auch umgehend mit einer illustren Vortragsreihe, die von Dr. Birgitta Gabriel, Unternehmensberaterin für Hörakustiker, moderiert wurde. Den Auftakt machte Dr. Servais gemeinsam mit Jana Verheyen mit dem Vortrag „Auf dem Weg verloren – wenn Versorgung nicht ankommt“. Es folgten Beiträge zur klinikeigenen Hörforschung und zum ambulanten KV-System. Andreas Perscheid von der signison GmbH zeigte auf, wie Systematik Systemfehler heilen kann. Pia Leven (MED-EL Deutschland) und Patricia Lista widmeten sich dem Thema Beratung als Schlüssel zur Cochlea-Implantat-Entscheidung. Danach sprach Jana Verheyen, die mit 20 Jahren einen Hörsturz erlitt und mittlerweile selbst mit zwei Cochlea-Implantaten versorgt ist, über die wichtige Reise zur Hör-Befähigung.

Nach einer kurzen Pause ging es weiter mit Sylwia Swiston und Alexander Hoffmann (Cochlear Deutschland), die zur Verantwortung bei der CI-Versorgung sprachen. Dr. Josef Chalupper (Advanced Bionics) referierte über hybride Versorgungsmodelle. Norbert Enste und Ulrike Berger, Geschäftsführer bei Enste Hörakustik und Repräsentantin des Cochlea Implantat Verbandes Baden-Württemberg e. V., plädierten für eine engere Zusammenarbeit von Akustikbetrieben und Selbsthilfegruppen, um die oft klaffende Lücke zwischen diesen Akteuren der Branche besser zu schließen. Dr. Jérôme Servais und Jana Verheyen schlossen den Vortragsblock mit dem Thema „Sprachverstehen vernetzt denken“ ab. Auf der Internetseite www.sprachverstehen.net, die voraussichtlich im Laufe des Jahres freigeschaltet werden wird, sollen Patient*innen Wegweiser für die Unterstützung bekommen, die sie benötigen, und Versorger miteinander vernetzt werden.

Theorie goes Praxis – und umgekehrt

Nach einer größeren Pause wurden alle Vorträge für die andere Hälfte der Teilnehmenden wiederholt, während die Teilnehmenden des Vortragsprogramms ihrerseits nun zwei Praxis-Workshops in den hainartigen Waldpartien des weitläufigen Bensheimer Landschaftsparks absolvierten. Die Idee zu diesen Programmpunkten entstand aus der Begebenheit, dass Servais und Verheyen in ihrem Praxisalltag immer wieder eine Lücke auch in der Wahrnehmung auf der Versorgerseite über die Bedeutung des Hörens im Leben der Betroffenen feststellen.

Ein Hörspaziergang und ein „Trauer-Quickie“

Angeboten wurde zum einem ein Trauerseminar in einer kleinen, schattigen Lehmhütte, in der Trauerbegleiterin und Klinikseelsorgerin Andrea Knecht über den Umgang mit Trauer in der Hörakustik sprach. „Hörverlust ist nicht nur Sache der Betroffenen“, sagte sie. Es sei für Hörakustiker*innen sehr wichtig, die spezifischen Trauerphasen der Hörverlust-Betroffenen nachvollziehen zu können und sie genau dort abzuholen.

Zum anderen nahmen die Teilnehmenden an einem geführten Hörspaziergang durch das Fürstenlager unter Leitung von Jörn Paland, Audiotherapeut und Leiter der Folgetherapie der CI-Rehabilitation in Bremen, teil. Der Hörspaziergangs-Pionier macht mit kreativen Methoden und akustischen Fundstücken die Freude an der Schallwahrnehmung erfahrbar. Für frisch implantierte CI-Träger*innen seien besonders Vogelstimmen extrem beeindruckende Erlebnisse, weil sie wieder unterschiedliche Klangstrukturen erkennen lassen. Jörn Paland ist auch Teil der „HörReise Odenwald“, die speziell für die Erstanpassung entwickelt wurde: Seit November 2024 können frisch Implantierte im Rahmen dieses Programms in nur fünf Tagen ein teilweise exzellentes Sprachverstehen erlangen.

Reger Austausch mit Kollegen und Industriepartnern

Nach einer kurzen Pause, für die auch die Industriepartner und Sponsoren der Veranstaltung ihre Ausstellerstände aufbauten, hielt Peter Dieler den abschließenden Vortrag. Der Leiter der Audiotherapie an der Reha-Klinik in Bad Salzuflen sprach zu dem Thema „Gut geraten ist halb verstanden – der Schwerhörige und der Druck, verstehen zu müssen“, bevor Jana Verheyen und Dr. Servais zum geselligen Get-together mit kulinarischen Highlights einluden.

CI-Findungsforum als neues Format

Die von ihnen initiierte Veranstaltung erfreut sich jedoch nicht nur steigender Teilnehmerzahlen, sondern wurde dieses Jahr auch noch thematisch erweitert. So wurde am Vortag, dem 1. Juli 2025, erstmals ein CI-Findungsforum angeboten. Es richtete sich an unentschlossene CI-Kandidat*innen und bot Raum für einen offenen Austausch mit bereits Versorgten, Herstellern und Klinikvertretern. Das festgesetzte Ziel war dabei, durch persönliche Gespräche ehrliche Einblicke in Chancen und Herausforderungen einer CI-Versorgung zu geben.

Für Powerfrau Jana Verheyen gab es nach den Veranstaltungstagen in Bensheim allerdings keine Verschnaufpause – ganz im Gegenteil: Gleich am nächsten Tag fuhr sie weiter zum „30 Jahre Friedberger Cochlea Implantat- und Hörsystem-Symposium“ nach Bad Nauheim, auf dem sie das innovative Nachsorgeprogramm „Hörreise Odenwald“ vorstellte.

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